Das Behçet-Syndrom ist eine Gefäßentzündung (= Vaskulitis) in zahlreichen Organen, deren Ursache noch weitestgehend unbekannt ist. Die Erkrankung ist in den Ländern entlang der ehemaligen Seidenstraße (vom Mittelmeer über die Türkei bis nach Japan) am häufigsten, kommt jedoch weltweit in unterschiedlicher Häufigkeit vor. Die Häufigkeit in der Türkei wird mit ca. 15 – 300 / 100.000 Einwohner (je nach Region) angegeben, in Deutschland schätzt man die Häufigkeit auf etwa 0.6 Fälle auf 100 000 Einwohner. Diese Zahl ist aber möglicher Weise zu gering geschätzt, da das Behçet-Syndrom besonders bei Deutschen viel zu spät, wenn überhaupt, diagnostiziert wird (1).
Das Behçet-Syndrom ist vornehmlich eine Erkrankung des jungen Erwachsenen, allerdings können auch Kinder und seltener ältere Menschen jenseits des 65. Lebensjahres erkranken. Männer sind in den meisten Ländern häufiger (und oft auch mit schwereren Organbeteiligungen) betroffen, als Frauen. Ein familiär gehäuftes Auftreten der Erkrankung kann vorkommen, ist jedoch eher selten.
In der Pathogenese (ursächlichen Entstehung) des Behçet-Syndroms spielen genetische Faktoren eine große Rolle. So ist bei etwa 30%-70 % aller Patienten (unabhängig von der Herkunft) das HLA (humane Leukozyten (=weiße Blutkörperchen)) Antigen B-51 nachweisbar, und man geht davon aus, dass dieses zusammen mit bestimmten Infektionen und anderen, noch unbekannten (zum Beispiel Umwelt- oder weiteren genetischen Faktoren) zur Krankheitsentstehung beiträgt (2).
Historische Einordnung
Die Erkrankung ist nach demjenigen benannt, der sie zuerst beschrieben hat: Prof. Hulusi Behçet, einem türkischen Dermatologen (Hautarzt) (Abbildung), der erstmals die Kombination aus Augenentzündung, Hautveränderungen und oralen Aphthen (Blässchen/Geschwüre im Mund) als eigenständiges Krankheitsbild auffasste und 1937 in der Deutschen Dermatologischen Wochenschrift beschrieb(3). Allerdings wurde, zumindest in Teilen und ohne als eigenständige Krankheit aufgefasst zu werden, das Krankheitsbild schon bereits viel früher in der Literatur beschrieben. Die erste Beschreibung der Krankheitssymptome findet sich wahrscheinlich bereits bei Hippokrates von Kos (460-377 vor Christus). Viele griechische Ärzte bezeichnen die Erkrankung mit dem äußerst langen Namen „Morbus Adamantiades-Behçet“, da (unter vielen anderen) der griechische Ophthalmologe (Augenarzt) Benediktos Adamantiades Symptome der Erkrankung (im Jahre 1930) beschrieb (4). Die verschiedenen Ärzte, die im Laufe der Zeit die Symptome eines Behçet-Syndroms beschrieben, ohne sie als eigenständiges Krankheitsbild aufzufassen, sind in den Arbeiten von Dilsen 1996(5) und später von Zouboulis und Keitel (2002) (6) sehr gut zusammengefasst.
Hauptmerkmal der Erkrankung: Aphten
Da beim Behçet-Syndrom eine generalisierte (systemische) Gefäßentzündung vorliegt, können prinzipiell alle (mit Gefäßen versorgte) Organsysteme des Körpers betroffen werden. Allerdings lassen sich häufige von weniger häufigen Organbeteiligungen unterscheiden. Hauptmerkmal der Erkrankung ist die Bildung von Geschwüren im Mund (=orale Aphthen), an der praktisch alle Patienten leiden. Das sind häufig wiederkehrende, schmerzhafte offene Stellen im Mund, z.B. auf der Innenseite der Lippen und Wangen, aber auch auf und unter der Zunge und im Rachen. Das ungewöhnliche ist, dass diese offenen Stellen, die auch im Rahmen von Infekten oder Allergien bei sonst gesunden Menschen auftreten können, extrem langsam abheilen und relativ groß werden (bis 1 cm und größer), und zum Teil so tief sind, dass sie Narben hinterlassen.
Ähnliche Veränderungen finden sich häufig (60-80%) auch im Genitalbereich (bei Männern an Hoden und Penis, bei Frauen an Schamlippen und Scheide (= genitale Aphthen).
Hautveränderungen
Das dritthäufigste Symptom sind Hautveränderungen, die äußerst unterschiedlich aussehen können. Dabei am häufigsten sind die sogenannten „Papulopusteln“, akne-ähnliche Veränderungen, die aber an für Akne untypischen Stellen (also ausserhalb von Gesicht, Brust und Rücken) und in einem für Akne untypischen Alter (außerhalb der Pubertät) auftreten. Der Inhalt dieser eitrig aussehenden Pusteln ist steril (er enthält keine krankheitserregenden Keime). Oft bilden sich derartige Papulopusteln nach mechanischen Reizen (das nennt man dann „Pathergie-Phänomen“, das ist bei ca. 30% aller Patienten positiv und wird oft gezielt mit einem Nadelstich in die Unterarm-Innenseite überprüft). Ausserdem kommt relativ häufig ein sogenanntes Erythema nodosum vor, hierbei handelt es sich um gerötete, verhärtete, überwärmte Hautareale, die äußerst druckschmerzhaft sind. Das Erythema nodosum beim Behçet-Syndrom tritt zumeist an den unteren Extremitäten (Beine) auf und ist meist multipel (das heisst, es treten viele Herde gleichzeitig auf). Es kommen, wenn auch seltener, beim Behçet-Syndrom allerdings auch vaskulitische Ulzerationen (Geschwüre), die man dann „leukozytoklastische Vaskulitis“ nennt, ebenfalls vor allem an den Beinen vor. Auch andere, unspezifischere Hauterscheinungen sind beschrieben. In jedem Fall sollte dann eine Hautbiopsie (Entnahme einer kleinen Hautprobe zur mikroskopischen Untersuchung) entnommen werden, dort findet sich dann die erwähnte „leukozytoklastische Vaskulitis“.
Oligoarthritis
Relativ häufig (ca. 70% aller Patienten) ist auch eine Gelenkbeteiligung in Form einer Oligoarthritis (Oligo heisst, es sind maximal 5 Gelenke betroffen), die meist die Füße oder Knie betrifft und im Röntgenbild keine Veränderungen hinterlässt (nicht-erosiv).
Augenbeteiligung
Ebenfalls häufig ist die Augenbeteiligung (bis zu 70% aller Patienten), die durchschnittlich 5 Jahre nach den ersten Symptomen (das sind meist die oralen Aphthen) auftritt. Meist handelt es sich dabei um eine Uveitis posterior (also des hinteren Augenabschnitts), oder eine retinale Vaskulitis. Eine Kombination aus beidem ist ebenfalls häufig.
Gefäßbeteiligung
Schließlich gibt es Gefäßbeteiligungen in Form von Thrombophlebitiden, das sind oberflächliche Venenentzündungen, die sich als druckschmerzhafter, tastbarer Strang äußern, Thrombosen (auch Lungenembolien) und arteriellen Gefäßverschlüssen sowie Aneurysmen. Ein Aneurysma ist eine Gefäßaussackung, die sich aufgrund der Entzündung und daraus folgenden Schädigung der Gefäßwand ausbildet (Abb. 7). Aneurysmen kommen bevorzugt an Beingefäßen oder Lungengefäßen vor. Das größte Problem ist hierbei die Blutung, wenn das Aneurysma, das eine sehr schwache Wand hat, reißt („Ruptur“).
Weitere, seltenere Symptome
Weitere, seltenere Symptome des Behçet-Syndroms sind: eine gastrointestinale Beteiligung mit aphthösen Ulzerationen ähnlich wie bei M. Crohn; eine neurologische Beteiligung vor allem mit Zeichen einer (sterilen) Hirnhautentzündung (Meningitis) und verschiedenen durch arterielle und venöse Gefäßverschlüsse bedingten Durchblutungsstörungen mit den Symptomen eines Schlaganfalls; Nebenhodenentzündungen (Epididymitis); und extrem selten Herzbeteiligung (Herzinfarkte) und Nierenbeteiligung (Nierenentzündung = Glomerulonephritis). Diese Symptome treten bei maximal 10 % der Patienten meist im späteren Verlauf der Erkrankung auf.